Offene Bühne für Wandel.

Der August hat seine eigene Dramaturgie. Das Jahr hält kurz inne, zwischen Bilanz und Herbstauftakt. In der Luft: Sommer. Kunst. Leichtigkeit. Draußen spielt die Welt Theater, wortwörtlich. Überall Bühnen, Stimmen, Klänge. Ich sitze mit einem Buch im Park, höre Musik aus der Ferne, sehe Plakate für Lesungen und Filme im Freien. Und ich spüre: Das ist keine Ablenkung vom Alltag. Das ist die Bühne des Lebens, in ihrer besten Form.

Ich erinnere mich an Erving Goffman im Studium. „Wir alle spielen Theater“, schrieb er in den Fünfzigern. Rollen, Routinen, Rituale. Aber was passiert, wenn wir selbst entscheiden, wie die Bühne aussieht, auf der wir stehen? Welche Requisiten wir zulassen, welche Stimme wir erheben, welcher Regie wir folgen?
Und ich denke über unsere Organisationen nach. Über ihre Bühnenbilder. Ihre Drehbücher. Ihre Dramaturgien. Und frage mich: Wie offen sind unsere Bühnen wirklich? Sind sie nur Plattform für KPI-Inszenierungen, oder auch Räume für Sinn, Ambivalenz, Schönheit?

Strategie braucht mehr Kultur, und nicht weniger.

Wenn wir über Transformation sprechen, denken viele Unternehmen an Technologie, Prozesse, vielleicht noch Purpose. Aber Kultur, im eigentlichen Sinn, kommt selten vor. Dabei entscheidet sich Zukunftsfähigkeit auch an der Frage, wie viel Raum wir dem Schönen, dem Fragilen, dem Ausdruck geben.
Musik, Literatur, Bildende Kunst, sie sind keine Dekoration unserer Freizeit. Sie sind Trainingslager für Perspektivwechsel. Sie lehren uns, andere Stimmen zu hören. Mehrdeutigkeit auszuhalten. Komplexität als Reichtum zu begreifen statt als Risiko. Warum tauchen solche Kompetenzen nicht in Strategiemeetings auf?

Ich frage mich: Wann haben Sie das letzte Mal ein Zitat oder ein Gedicht in ein Townhall-Meeting eingebracht?
Wann hat Ihr Team zuletzt eine Ausstellung gemeinsam besucht, nicht zur Belustigung, sondern zur Weltbegegnung?
Wann war Musik Anlass für Dialog, nicht nur für Feier?

Kultur ist kein Kostenfaktor. Kultur ist ein Resonanzträger. Und wer Unternehmen als Teil der Gesellschaft begreift, muss sich fragen: Was geben wir zurück? Außer Jobs, Produkten, Markenbotschaften.

Wenn wir Resonanz ernst nehmen, dann braucht Wirtschaft mehr Einbindung kultureller Praktiken in den Arbeitsalltag:

Wer das Schöne schützt, schützt das Mögliche. Und wer Schönheit erleben kann, kann auch Sinn erkennen, weit über Effizienz hinaus.

Wertvolle Irritation.

Ich beobachte, wie viele Organisationen über „Kulturentwicklung“ sprechen und dabei oft in der eigenen Sprache gefangen bleiben. Zuhören, Feedback, Dialog. Alles wichtig. Aber Resonanz entsteht nicht durch Methoden allein. Sie braucht auch die Irritation. Das Ungewohnte. Das, was nicht aus Zahlen geboren wurde, sondern aus Gefühl.

Die Welt zu erleben heißt, sich berühren zu lassen. Kunst hilft uns dabei und macht uns dadurch nicht schwächer, sondern vollständiger. Und ich glaube: Nur vollständige Menschen können vollständige Verantwortung übernehmen.

Meine eigene Bühne – und Ihre.

Ich liebe diese Sommerabende mit Open-Air-Kino. Ich lese im Park, gerade „Halbinsel“ von Kristine Bilkau. Ich höre Musik. Ich schaue Architektur. Ich lasse mir etwas sagen von der Welt und nicht nur von meinen To-do-Listen. Diese Zeit ist nicht Eskapismus. Sie ist Spiegel und Bühne. Sie erinnert mich daran, dass die Rolle, die ich spiele – als Beraterin, als Mutter, als Partnerin, als Mensch – nie vollständig im Organigramm steht.

Ich wünsche mir Organisationen, die das erkennen.
Die Kultur sponsern, und auch integrieren.
Die nicht nur Stakeholder hören, sondern auch Lieder.
Die Verantwortung nicht nur managen, sondern gestalten.

epovia. Wandel mit Sinn. Und mit Bühne für das, was berührt.